Wer kennt es nicht: Kaum wird es kälter, fliegen die Haare durch die Stallgasse - und später landen sie zu Tausenden mit unseren Sachen in der Waschmaschine. Der Fellwechsel ist Schwerstarbeit für dein Pferd: Es bildet Millionen neuer Haare, das kostet Energie, Spurenelemente und Aminosäuren. In diesem Blogbeitrag erfährst du, was im Pferdekörper passiert, welche Aminosäuren jetzt besonders wichtig sind und wie du Fütterung und Management für deinen Liebling in Frühjahr und Herbst klug aufstellst. 

Stand: 16.10.2025 • Autor: Ralf Stüber 


Was löst den Fellwechsel aus? 

Der entscheidende Auslöser für den Fellwechsel ist die Tageslichtlänge, die sogenannte Photoperiode.
Längere Nächte im Herbst lassen den Melatoninspiegel steigen, das Signal für Winterfell. Mit den ersten längeren Tagen im Frühjahr übernimmt das Hormon Prolaktin und regt das Sommerfell an.
Beide Hormone werden im Gehirn gebildet und wirken je nach ihrem Spiegel wie ein Schalter für den Fellwechsel. So gibt das Licht den natürlichen Takt für den Haarwechsel vor.

Studien zeigen sogar: Eine künstlich verlängerte Tageslänge kann den Fellwechsel beschleunigen bzw. das Sommerfell länger erhalten. 

Beim Pferd gilt also: 

  • Längere Nächte im Winter → mehr Melatonin → wenig Prolaktin. 

  • Im Frühling werden die Nächte kürzer → weniger Melatonin → mehr Prolaktin → Fellwechsel  

Auch andere Faktoren wie Temperatur oder Management (z. B. Eindecken, Stallhaltung) können den Fellwechsel zusätzlich beeinflussen, aber das Einwirken von Licht auf den Hormonhaushalt von Melatonin und Prolaktin ist der Hauptmechanismus. 
 Profilbild von Pferderücken vor Wald

Aus was bestehen Pferdehaare? 

Pferdehaare bestehen - genau wie Hufhorn - überwiegend aus Keratin. 

Keratin ist ein Faserprotein, das dem Haar Stabilität und Elastizität gibt. Seine besondere Festigkeit entsteht durch winzige chemische Verbindungen, sogenannte Schwefelbrücken (fachlich: Disulfidbrücken). Je mehr dieser Schwefelbrücken vorhanden sind, desto widerstandsfähiger sind Haare und Hufe. 

Schwefelgeruch kennen wir aus eigener Erfahrung: Wenn Eisen beim Schmied auf den Huf aufgebrannt werden oder Haare ins Feuer geraten, entsteht ein typischer, beißender Geruch und ein dicker gelblicher Dampf - das ist verbrannter Schwefel. 

Wie entsteht ein Haar? 

Nach der Verdauung im Dünndarm gelangen die Aminosäuren ins Blut und werden im ganzen Körper verteilt - auch bis zu den Haarfollikeln. Möglich machen das spezielle Transportproteine (sogenannte SLC-Proteine). Dort, in den Follikeln, beginnt der eigentliche Zauber des Fellwechsels: Neue Haarzellen entstehen, wachsen heran und bilden das glänzende Fell deines Pferdes. 

Haarfollikel sind winzige Hautstrukturen, in denen jedes Haar wächst, verankert ist und seinen Lebenszyklus durchläuft. Sie bestehen aus verschiedenen Teilen: zum Beispiel der Haarzwiebel, in der ständig neue Zellen entstehen oder den Talgdrüsen, die das Haar geschmeidig halten. 

Die Follikel arbeiten in Zyklen: Zuerst wächst das Haar (Anagenphase), dann folgt eine kleine Übergangszeit (Katagenphase) und anschließend eine Ruhepause (Telogenphase). Danach fällt das Haar aus und macht Platz für ein neues. Kurz gesagt: Wachsen, Pause, Ausfallen, Neustart. Klingt simpel, ist aber ein hochkomplexer Prozess. Genau dabei spielen Aminosäuren die Schlüsselrolle, denn ohne diese Bausteine kann der Körper keine neuen Haarzellen und Hornstrukturen bilden. 

So sorgt der Nachschub aus der Fütterung dafür, dass dein Pferd im Fellwechsel nicht „stehenbleibt“. Stattdessen bleibt die Mähne glänzend, das Fell dicht und die Stallgasse im Frühling wie gewohnt dekoriert mit Haaren 😉. 

Die Schlüssel-Aminosäuren im Fellwechsel 

Der Fellwechsel stellt den Organismus des Pferdes vor besondere Herausforderungen. Bestimmte Aminosäuren übernehmen dabei eine Schlüsselrolle. 

Methionin und Cystein sind unverzichtbar, weil sie als Bausteine des Keratins die Grundlage für gesundes Fell und stabile Hufe bilden und den wichtigen Schwefel enthalten. Dabei ist Methionin besonders wichtig: Es gehört zu den essenziellen Aminosäuren, die das Pferd nicht selbst herstellen kann und daher über das Futter aufnehmen muss. Aus Methionin kann der Körper Cystein bilden, aber der umgekehrte Weg ist nicht möglich. Genau deshalb gilt Methionin im Stoffwechsel als limitierend und ist entscheidend für ein starkes, glänzendes Haarkleid. Fehlen diese Schwefel-Aminosäuren, werden Fell und Hufe brüchig und der Fellwechsel verläuft schleppend. 

Lysin gilt häufig als „limitierende“ Aminosäure. Das bedeutet: Fehlt Lysin, können viele andere Aminosäuren aus dem Futter nicht richtig genutzt werden - selbst wenn eigentlich genug Eiweiß vorhanden ist. Lysin ist entscheidend für Wachstum, Muskelaufbau, die Bildung von Bindegewebe, Haut und Haar und stärkt zudem das Immunsystem. Gerade im Fellwechsel unterstützt es den zügigen Haarwuchs und sorgt für ein kräftiges, glänzendes Fell. 

Threonin spielt eine weitere, wichtige Rolle: Es ist notwendig für die Bildung von Schleimstoffen, die die Schleimhäute schützen, sowie für die Kollagen-Synthese im Bindegewebe. Zudem fördert es die Hautregeneration und trägt zu einem ausgeglichenen Stoffwechsel während des Fellwechsels bei.  

Unser Ansatz im Fellwechsel: Ein strukturiertes Aminosäurenprofil mit Fokus auf Lysin, Threonin sowie Methionin/Cystein - optimal abgestimmt auf heu­basierte Rationen. Wenn du diese Punkte beachtest, unterstützt du dein Pferd dabei, glänzend und vital durch den Fellwechsel zu kommen. 
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Wie können wir unser Pferd noch im Fellwechsel unterstützen?  

Neben einer ausgewogenen Versorgung mit Aminosäuren sind gutes Management und kleine Routinen oft auch die größte Hilfe: Tägliches Striegeln fördert die Hautdurchblutung, ausreichend Bewegung hält den Stoffwechsel in Schwung und eine pferdegerechte Licht- und Fütterungsplanung sorgt für Balance. Achte außerdem auf Synergien wie Zink, Biotin und eine stabile Energieversorgung über gutes Heu. Auch die ausreichende Aufnahme von Trinkwasser sollte man stets im Blick haben. 

Wenn das Fell deines Pferdes trotz all dem matt wirkt oder ungewöhnlich lange am Winterkleid festhält, zieh lieber den Tierarzt hinzu. 

So bist du und dein Partner Pferd gut vorbereitet für den Fellwechsel. 

 

Fellwechsel‑Checkliste 


☐ Heuanalyse & Ration auf Lysin, Threonin, Methionin prüfen/ergänzen
Ausreichend Energie & Rohfaser sichern
Zink, Biotin & Elektrolyte im Blick behalten
Striegel-Routine täglich (fördert Hautdurchblutung)
Lichtmanagement pferdegerecht und mit Plan gestalten
Ausreichend Bewegung ermöglichen
Trinkwasser-Aufnahme kontrollieren
☐ Bei mattem, struppigem oder auffälligem Fell: Tierärztlich abklären

 

Quellen

  • Harland DP, et al. The susceptibility of disulfide bonds to modification in keratin fibers undergoing tensile stress. Biophysical Journal. 2022;121(11):2168–79. 
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35477858/ 

  • Kanai Y, Hediger MA. The glutamate/neutral amino acid transporter family SLC1: molecular, physiological and pharmacological aspects. Pflugers Archiv (Eur J Physiol). 2004;447(5):469–79. doi:10.1007/s00424-003-1146-4. 
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14530974/ 

  • Johnson AL. Seasonal and photoperiod-induced changes in serum prolactin and pituitary responsiveness to thyrotropin-releasing hormone in the mare. Proc Soc Exp Biol Med. 1987;184(1):118–22. doi:10.3181/00379727-184-42455. 
    https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/3099304/